GYNÄKOLOGIE & GEBURTSHILFE | FREIES THEMA Unerwünschte Geburt als lebenslanges Handicap
Moderne Notfallkontrazeption eröffnet zweite ChanceJede Schwangerschaft eine erwünschte: von einer Umsetzung dieser zentralen, um die Jahrtausend-wende festgeschriebenen FIGO-Zielsetzung zur Förderung der Frauengesundheit sind wir weit ent-fernt, noch bessere Strategien und Programme zur Verhinderung von ungewollten Schwangerschaftensind gefordert. Eine effektive postkoitale Kontrazeption – wenn schon etwas „passiert“ ist – bedeutethier eine zweite Chance in einer Notsituation, um eine in vielen Fällen drohende existenzielle Krisen-situation für alle Beteiligten doch noch abzuwenden.
Der Terminus Notfall sei durchaus gerechtfertigt, argu- Und in einer Untersuchung des Alan Guttmacher Institute
mentiert die Gynäkologin, Psychologin und Psycho-
(2000) hatten 43 % der ungewollt ausgetragenen Schwanger-
therapeutin Mag.a phil. DDr.in med. Bettina Wendl,
schaften nicht etwa Methodenversagen oder eine erzwungene
die Betroffenen zeigen in dieser Situation Symptome des psy-
Kohabitation als ursächlichen Hintergrund, es wurde ganz
chischen Schocks mit Angst, Hilflosigkeit, Ohnmacht, Entset-
einfach – trotz fehlenden Kinderwunsches – nicht verhütet.
zen, die Erreichung wichtiger Lebensziele scheint gefährdet.
Nachvollziehbar wird für die Psychotherapeutin die Größen-
Fatale Konsequenzen einer durch die Krise eingeengten Hand-
ordnung dieser Zahlen erst durch das Phänomen der „kontra-
„Ungewollte Schwangerschaft ist ein Risikofaktor für maternale unbewusste Konflikte und kindliche Morbidität und Mortalität.“ Mag.a phil. DDr.in med. Bettina Wendl
Start weg aus – Vernachlässigung der MKP-Schwangerschafts-
tische Bestätigung durch Schwangerschaft etc.).
vorsorge (Kleman et al., 2000), ungünstiges pränatales
Um präventiv gegen zusteuen, fordert Wendl verstärkte Öffent-
Gesundheitsverhalten der Mutter (Weissman et al., 1999),
lichkeitsarbeit, Aufklärung über soziale und gesundheitliche
selbst Frühgeburtlichkeit (Mohllajee et al., 2007) und geburts-
Folgen ungewollter Schwangerschaft, aber auch Jugendarbeits-
hilfliche Komplikationen (Hack et al., 2002) etc. – bis weit in
losigkeit und fehlende Bildungsperspektiven stellten einen
das Erwachsenenleben hinein: mit einem höheren Morbidi-
Nährboden für Teen agerschwangerschaften dar: „Mädchen
tätsrisiko, psychischen Störungen wie Anpassungsstörungen,
,wählen‘ die Mutterrolle aus Mangel an anderen sozialen Rol-
niedrigerem Selbstwertgefühl, Depressionen, schlechterer Aus-
len.“ Essenziell ist aus ihrer Sicht auch ein erleichterter Zugang
bildung/Arbeitslosigkeit (David, 2006), Delinquenz im Alter
zu Kontrazeption v. a. für Jugendliche und zur Notfallkontra-
von 11–17 Jahren (Hay & Evans, 2006) und vielem mehr.
zeption als zweiter kontrazeptiver Chance. Warum die erste Chance nicht genützt wird Seit 2010 auch in Österreich neue Ära
Wendl: „Von den täglich ca. 220.000 Lebendgeburten weltweit
Positiv beurteilt Univ.-Prof. Dr. Christian Egarter, Univ.-Frau-
waren 50 % zum Zeitpunkt der Konzeption ungeplant, die
enklinik Wien, die jüngsten Entwicklungen bei den Notfall-
Hälfte davon sogar definitiv unerwünscht (UNFPA, 2007).“
GYN-AKTIV 6/2010
FREIES THEMA | GYNÄKOLOGIE & GEBURTSHILFE ABBILDUNG Aufhebung der Rezeptpflicht für die Levonorgestrelhältige
Schwangerschaftsrate: 2,1% (vs. 5.5 % erwartet)
Notfall-Pille Vikela®: Die einmalige Gabe des Gestagens
Wirksamkeit über den Zeitraum: keine Abnahme
Levonorgestrel (z. B. Vikela®) galt zum Zeitpunkt der Freigabeim Dezmber 2009 als Standard der postkoitalen Kontrazeption
nach einem ungeschützten Verkehr/Versagen einer kontrazep-
tiven Methode bzw. erzwungenen Kohabitation. Allerdings ist
bei der Levonorgestrel-Notfallpille eine ehestmögliche Verab-
reichung (bis spätestens 72 h danach) von essenzieller Bedeu-tung für die Ovulationshemmung als einzig wirksamen
kontrazeptiven Mechanismus und aus diesem Grund war dieForderung nach einem niederschwelligen Zugang nachvoll-
ziehbar. Egarter pointiert: „Die Praxis zeigt: Notfallkontrazep-
tion passiert Freitag abends. Die Freigabe ist insofern günstig,als bei Levonorgestrel das Zeitmoment eine wichtige Rolle
Wirksamkeit von ellaOne® im Zeitfenster von
spielt, und stellt bei den bestehenden Hemmnissen, insbeson-
dere von Jugendlichen, zu einem Arzt zu gehen und nach die-ser Art der Kontrazeption zu fragen, wirklich einen Fortschritt
werden, für den Rest des Zyklus eine zusätzliche Barriereme-
thode zu verwenden. Beide Präparate führen nicht zum Ab-bruch einer bestehenden Schwangerschaft; auch wurde kein
Ulipristalacetat (ellaOne®) als wirksamste Notfallkontra-
teratogener Effekt beobachtet. Aus forensischen Gründen ist
zeption: Einen wirklichen Fortschritt in dieser Indikation be-
vor der Verschreibung von ellaOne® ein Schwangerschaftstest
deutete auch im Jänner 2010 die Marktzulassung von
Ulipristalacetat (ellaOne®) aus der Stoffgruppe der selektiven
Im Nebenwirkungsspektrum von ellaOne® – im Grunde iden-
Progesteronrezeptor-Modulatoren (SPRMs). Die rezeptpflich-
tisch mit jenem von reinen Gestagen-Präparaten – sind insge-
tige Notfall-Pille ellaOne® zeigt als wesentlichen Vorteil ge-
samt keinerlei schwerwiegende zu verzeichnen. Die häufigsten
genüber den bisherigen verfügbaren Hormonderivaten eine
wie Kopfschmerzen, Dysmenorrhö und Übelkeit klingen relativ
längere und annähernd gleich bleibende Wirksamkeit bis zum
rasch innerhalb von wenigen Tagen nach Einnahme ab.
5. Tag nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr (Abb.) – also über den gesamten Zeitraum der maximalen Überlebensdauer FAZIT: Die Landschaft der postkoitalen Kontrazeption in
von Spermien im weiblichen Genitaltrakt. Egarter zu den ent-
Österreich hat sich zum Positiven gewandelt. Die Aufhebung
scheidenden Unterschieden: „Auch bei SPRMs ist letztlich die
der Rezeptpflicht für die Gestagen-hältige Notfall-Pille Vikela®
Verhinderung bzw. Verzögerung der Ovulation der Haupt-
erleichtert für viele Betroffene einen barrierefreie Bewältigung
wirkmechanismus. Während Levonorgestrel jedoch nur bis
einer kontrazeptiven Notsituation, lokal völlig unterschiedli-
zum tatsächlichen Anstieg des LH wirksam ist, können SPRMs
chen Zugangs-Regelungen mit gravierenden Unterschieden bei
wie Ulipristal während des LH-Anstiegs selbst den drohenden
den Kosten gehören damit der Vergangenheit an.
Eisprung verhindern bzw. so weit verzögern, dass es keine
Die Zulassung der Ulipristal-hältigen Notfall-Pille ellaOne®
Rolle mehr spielt. Für die bessere Effizienz sorgen mit großer
mit der prolongierten Wirksamkeit über 5 Tage nach Koha-
Wahrscheinlichkeit noch zusätzliche Effekte, die auch den
bitation eröffnet ein bisher verschlossenes Zeitfenster, durch
Uterus betreffen: Wenn Sie einen SPRM kurzfristig verabrei-
die Rezeptpflicht ist auch eine ärztlicher Beratunggarantiert,
chen, kommte es zu einer relativ raschen Verringerung der En-
die sicherlich den optimalen und nach Möglichkeit anzustre-
dometriumdicke. Ein weiterer Mechanismus könnte direkt die
benden Behandlungskontext für eine sowohl medizinisch als
Einnistung beeinflussen: Durch SPRMs kommt es zu einer Ver-
auch psychologisch als Notfall zu klassifizierende Situation
minderung von Liganden für N-Selektin (ein Adhäsionsmole-
kül), die bei der Implantation unter physiologischen Umständenverstärkt exprimiert werden.“ Zu beachten ist, dass durch beide Methoden der Eisprung
Quelle: Vorträge „Moderne Notfallkontrazeption“ von Univ.-Prof. Dr. Christian Egarter und „Notfälle in der Verhütung“ von Mag.a phil. DDr.in med. Bettina Wendl im Rah-
manchmal nur verschoben wird. In der ärztlichen wie auch
men des Symposiums „Gynäkologie – Update, Refresher“ des Forums für medizinische
apothekerliche Beratung muss deshalb darauf hingewiesen
Fortbildung, 25.–27. November 2010, Aula der Wissenschaften, Wien
GYN-AKTIV 6/2010
Fachbereich Gesang Literaturempfehlungen für den Unterricht an Musikschulen – Ausgabe August 2012 – gesichtet von den Fachberater(inne)n für den VdMRedaktion: Frank Hartmann / Isabelle HammBach, Carl Philipp Emanuel: Geistliche Gesänge nach Christoph Christian Sturm / Erste Samm-lung H. 749, W. 197 für hohe Singstimme & Clavier / high voice & piano Besetzung: Edition Walhal
Scientific international publications on Arctic charr from the department of Wildlife, Fish, and Environmental Studies 1989 Eriksson, L.-O. 1989. The present status of Arctic charr rearing in Sweden. EAS Special Nilsson, J. 1989. Selective breeding of Arctic charr ( Salvelinus alpinus ) EAS Special 1990 Linnèr, J., Brännäs, E., Wiklund, B.-S. & Lundqvist, H. 1990. D