Obergericht des Kantons ZürichII. Zivilkammer
Mitwirkend: Oberrichterin lic. iur. A. Katzenstein, Vorsitzende, Oberrichter lic. iur.
P. Hodel und Oberrichterin lic. iur. E. Lichti Aschwanden sowie Ge-
richtsschreiberin lic. iur. A. Muraro-Sigalas. Beschluss und Urteil vom 25. Juni 2012 A._____,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. X._____
Psychiatrische Klinik B._____,
betreffend Zwangsmedikation
Berufung gegen ein Urteil des Einzelgerichtes (10. Abteilung) des Bezirksgerich-
Erwägungen:
Am 21. Mai 2012 wurde die Gesuchstellerin von Dr. med. C._____ im Sinne
einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung in die Psychiatrische Klinik B._____
eingewiesen (act. 16/5). Gleichentags sprach die Vormundschaftsbehörde
D._____ mit Präsidialverfügung vom 21. Mai 2012 eine behördlich angeordnete
fürsorgerische Freiheitsentziehung aus (act. 16/7). Ein von der Gesuchstellerin
am 22. Mai 2012 gegen die Einweisung gerichtetes Gesuch um gerichtliche
Überprüfung derselben wurde mit Urteil vom 24. Mai 2012 durch das Bezirksge-
richt Zürich im Prozess Nr. FF120102 (act. 16/1-12) abgewiesen (act. 16/11). Mit
Schreiben vom 30. Mai 2012 informierte die Klinik die Gesuchstellerin über den
Entscheid, bei ihr eine Zwangsmedikation mit dem Neuroleptikum Haldol und ei-
nem angstlösenden Medikament aus der Gruppe der Benzodiazepine einzuleiten
(act. 11/2). Am 1. Juni 2012 ersuchte die Gesuchstellerin beim Einzelgericht des
Bezirksgerichts Zürich um gerichtliche Beurteilung der angekündigten Zwangs-
medikation (act. 11/1). Aufgrund der Angaben der Klinik (act. 11/8; Port. VI S. 10
f.), des mündlich erstatteten Gutachtens von Dr. med. E._____ (Prot. VI S. 9;
act. 9) sowie der Anhörung der Gesuchstellerin (Prot. VI S. 7 ff.), wies die Vorin-
stanz das Gesuch um Aufhebung der Zwangsmedikation mit Urteil vom 7. Juni
2012 ab und genehmigte diese (act. 11/10).
Nach Erhalt des Urteils im Dispositiv mandatierte die Gesuchstellerin mit
Vollmacht vom 9. Juni 2012 Rechtsanwalt lic. iur. X._____ (act. 11/12). Mit Einga-
be vom 12. Juni 2012 erhob die Gesuchstellerin Berufung und beantragte die
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sowie eventualiter eine Modifikation
der angeordneten Zwangsbehandlung. In prozessualer Hinsicht stellte sie den An-
trag, es sei der Berufung die aufschiebende Wirkung zu erteilen und ihr die un-
entgeltliche Rechtspflege zu gewähren. Überdies gab die Gesuchstellerin an, es
liege einstweilen nur das Urteil im Dispositiv vor, weshalb die vollständig begrün-
dete Berufungsschrift nach Erhalt des begründeten Urteils innerhalb der Beru-
fungsfrist nachgereicht werde (act. 5). Gestützt auf das inzwischen vorliegende
begründete und von Amtes wegen beigezogene Urteil der Vorinstanz (act. 7) er-
teilte die Kammer mit Verfügung vom 12. Juni 2012 der Berufung die aufschie-
bende Wirkung (act. 9). Am 18. Juni 2012 ging die vollständig begründete Beru-
fungsschrift ein (act. 13). Die vorinstanzlichen Akten, einschliesslich denjenigen
betreffend die Anordnung der fürsorgerischen Freiheitsentziehung, wurden beige-
Da die angeordnete fürsorgerische Freiheitsentziehung nach wie vor Gültig-
keit hat, ist eine Zwangsbehandlung grundsätzlich möglich (§ 24 Abs. 1 lit. a
PatG). Wie die Vorinstanz richtigerweise festhielt, geht es vorliegend nicht um ei-
ne akute Zwangsbehandlung, mit welcher eine Notsituation überbrückt werden
soll (§ 26 Abs. 1 PatG), sondern um die Inangriffnahme einer auf längere Zeit
konzipierten medikamentösen Behandlung (§ 26 Abs. 2 PatG). Eine solche kann
durchgeführt werden, wenn dies nach Massgabe des Einweisungsgrundes medi-
zinisch indiziert ist und die nötige persönliche Fürsorge nicht durch eine mildere
Massnahme erbracht werden kann oder damit eine ernsthafte und unmittelbare
Gefahr für die Gesundheit oder das Leben Dritter abgewendet werden kann (§ 26
Die medikamentöse Zwangsbehandlung stellt einen schweren Eingriff in die per-
sönliche Freiheit im Sinne der körperlichen und geistigen Integrität nach Art. 10
Abs. 2 BV und Art. 8 Ziff. 1 EMRK dar und betrifft auch die menschliche Würde
(Art. 7 BV) zentral (BGE 127 I 6 Erw. 5; BGE 130 I 16 Erw. 3). Deshalb verlangt
der Eingriff nebst der erforderlichen gesetzlichen Grundlage, die mit §§ 24 ff.
PatG gegeben ist (BGer 5A_792/ 2009 vom 21. Dezember 2009 E. 4), eine um-
fassende Interessenabwägung. Neben den kantonalen Regelungen sind auch die
Erfordernisse von Art. 36 BV zu beachten. Zu berücksichtigen sind dabei die öf-
fentlichen Interessen, die Notwendigkeit der Behandlung, die Auswirkungen einer
Nichtbehandlung, die Prüfung von Alternativen sowie die Beurteilung von Selbst-
und Fremdgefährdung. In diese Interessenabwägung miteinzubeziehen sind nach
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung insbesondere auch langfristige Neben-
wirkungen einer zwangsweise vorgesehenen Neuroleptika-Behandlung (BGer
5A_38/2011 vom 2. Februar 2011; BGE 130 I 16 E. 4 und 5).
Der Gutachter gibt an, es liege weder eine ernste und unmittelbare Gefahr
für die Gesundheit der Gesuchstellerin vor noch eine solche für Dritte (act. 9 S. 4).
Folglich muss die angeordnete Zwangsmedikation nach Massgabe des Einwei-
sungsgrundes medizinisch indiziert sein und die nötige persönliche Fürsorge nicht
durch eine mildere Massnahme erbracht werden können.
5.1 Aus der Präsidialverfügung der Vormundschaftsbehörde D._____ vom
21. Mai 2012 lässt sich entnehmen, dass die Sozialberatung der Stadt D._____
der Ansicht ist, bei der Gesuchstellerin lägen die Voraussetzungen für den Bezug
einer IV-Rente vor. Für eine Besprechung der aktuellen Situation erschien die
Gesuchstellerin deshalb am 21. Mai 2012 bei der Sozialberatung der Gemeinde
D._____. Offenbar zeigte sie sich dort verhaltensauffällig. Insbesondere konnte
kein Gespräch zum Sinn und Zweck ihres Erscheinens geführt werden und sie
verweigerte jegliche Mitwirkung. Aufgrund ihres verwirrten Zustandes veranlasste
der beigezogene Psychiater Dr. med. C._____ im Sinne einer fürsorgerischen
Freiheitsentziehung die Einweisung in die Psychiatrische Klinik B._____
(act. 16/5). Die Vorinstanz begründete die Abweisung des Entlassungsgesuches
der Gesuchstellerin im Wesentlichen damit, dass sie an einer schweren psychoti-
schen Störung leide und in der nächsten Zeit medizinisch betreut werden müsse
bzw. der professionellen persönlichen Fürsorge bedürfe. Insbesondere verwies
die Vorinstanz auf die Ausführungen der Oberärztin anlässlich der Hauptverhand-
lung, wonach die Gesuchstellerin zwangsbehandelt werden müsse, damit sie zu-
mindest einmal gesprächsbereit werde. Dies sei nur schon dafür erforderlich, um
die von der Vormundschaftsbehörde D._____ verlangte Begutachtung sowie die
IV-Anmeldung durchführen zu können (act. 16/11 S. 5).
5.2 Die medizinische Aktenlage der Gesuchstellerin ist äusserst dünn. Soweit
ersichtlich, wurde die Zwangssymptomatik der Gesuchstellerin erstmals im Jahr
2006 im Zusammenhang mit der Einleitung der Fremdplatzierung ihres im Jahr
1999 geborenen Sohnes aktenkundig (act. 16/8). Im Dezember 2006 und im Ja-
nuar 2008 wurde sie von der Vormundschaftsbehörde D._____ ins Ambulatorium
in D._____ eingewiesen, dort aber lediglich ambulant behandelt (Prot. FF120102
S. 9; act. 16/6). Medizinische Arztberichte dazu liegen nicht vor. Zu einer ersten
fürsorgerischen Freiheitsentziehung kam es am 21. November 2010. Einen Tag
später wurde die Gesuchstellerin aber auf eigenen Wunsch hin und entgegen der
ärztlichen Empfehlung wieder entlassen (act. 16/6 u. 9). Anlass dieser Einweisung
war, dass die Gesuchstellerin selber beim Spital vorstellig wurde, weil sie das Ge-
fühl hatte, ein zu Hause zubereitetes Getränk sei vergiftet worden (act. 16/9).
Zwischenzeitlich befand sie sich regelmässig bei Dr. med. F._____ in ambulanter
psychiatrischer Behandlung. Allerdings erschien sie dort seit mehreren Monaten
nicht mehr zu den Terminen (act. 16/8 u. 9). Zu den Lebensumständen der Ge-
suchstellerin ist anzuführen, dass sie alleine in einer Wohnung an der …-Strasse
in D._____ wohnt. Sie ist finanziell von der Fürsorge abhängig, aber abgesehen
davon, lebte sie bisher ohne externen Betreuungsbedarf und konnte ihren Haus-
halt selbständig führen. Gemäss Austrittsbericht der Psychiatrischen Klinik
B._____ vom 1. Dezember 2010 lebt die Gesuchstellerin von ihrem Ehemann ge-
trennt. Die Ehegatten stehen aber nach wie vor in Kontakt, was auch von
Dr. med. F._____ am 22. Mai 2012 bestätigt worden ist (act. 16/8; Prot. FF12102
Die Anordnung der fürsorgerischen Freiheitsentziehung ist nicht Gegenstand
des Berufungsverfahrens. Wie die Gesuchstellerin aber zu Recht geltend macht,
sind die Gründe bzw. die Umstände, welche zur fürsorgerischen Freiheitsentzie-
hung geführt haben, bei der Beurteilung der Zwangsmedikation miteinzubeziehen.
7.1 Unbestrittenermassen und nach einhelliger Meinung der Fachpersonen lei-
det die Gesuchstellerin an einer chronischen paranoiden Schizophrenie (act. 11/9
S. 4; Prot. FF12102 S. 10 f.). Die Klinikärzte beabsichtigen eine Behandlung mit
dem Neuroleptikum Haldol (10 - 20 mg/d) und einem angstlösenden Medikament
aus der Gruppe der Benzodiazepine (Temesta 1 - 2,5 mg/d) über einen Zeitraum
7.2 Die Gesuchstellerin macht dagegen geltend, die beabsichtigte Behandlung
sei als "medikamentöse Keule" zu betrachten. Mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit
werde das Medikament zu unerwünschten Nebenwirkungen wie Müdigkeit, einge-
schränkter Motorik, Zittern, Magenproblemen und Gewichtszunahme führen und
sie somit stark in ihrem Wohlbefinden einschränken. Bevor ein solch starker Ein-
griff in die körperliche und geistige Integrität vorgenommen werden dürfe, seien
vorab alle minderen Behandlungsformen durchzuführen. Erst danach sei über-
haupt eine Zwangsmedikation ins Auge zu fassen. Vorliegend sei in erster Linie
an eine Psychotherapie mit ergänzender bzw. unterstützender Therapie zu den-
ken. Indem die psychiatrische Klinik B._____ solche Behandlungen antizipiert als
nicht erfolgsversprechend ablehne und stattdessen direkt zur Medikation schrei-
ten wolle, habe sie ihr Ermessen falsch und nicht im Sinne der Patientin ausge-
übt. Der angefochtene Entscheid, der das Behandlungskonzept absegne, über-
nehme diese Rechtsfehler. Da sie – die Gesuchstellerin – seit Jahren denselben
Gesundheitszustand aufweise und in den vergangenen Jahren weder sich noch
andere in Gefahr gebracht oder gefährdet habe, sei bereits die Anordnung der für-
sorgerischen Freiheitsentziehung in Frage zu stellen. Bezüglich des Streitgegens-
tandes – der Zwangsbehandlung – seien die Voraussetzungen dafür dementspre-
chend hoch anzusetzen. Da sie in der Vergangenheit eine Behandlungswilligkeit
gezeigt habe, sei sie doch bei Herrn Dr. F._____ in Behandlung gewesen, müsse
zunächst versucht werden, sie auf freiwilliger Basis zur Mitwirkung bei einer Psy-
chotherapie und auch zur freiwilligen Einnahme von geeigneten Medikamenten zu
bewegen. Es gehe nicht an, gestützt auf allgemeine Einschätzungen (vgl. ange-
fochtenes Urteil S. 8, letzter Absatz von Erw. 3.6) eine Behandlungsnotwendigkeit
mit Haldol/Temesta von Beginn an anzunehmen (act. 13 s. 3).
7.3 Der Gutachter gibt an, eine Psychotherapie durch Gespräche sei beim jetzi-
gen Zustand der Patientin kaum möglich (act. 11/9 S. 4). Diese Einschätzung wird
durch die übrigen Akten untermauert. Die persönliche Befragung der Gesuchstel-
lerin an der Hauptverhandlung vom 23. Mai 2012 betreffend die gerichtliche Beur-
teilung der fürsorgerischen Freiheitsentziehung musste abgebrochen werden, weil
die Gesuchstellerin wirre Ausführungen machte, so dass eine normale Konversa-
tion nicht möglich war (Prot. FF120102 S. 8). Auch der damals vorgeladene Gut-
achter Dr. med. G._____ gab zu Protokoll, ein eigentliches Gespräch mit der Ge-
suchstellerin sei nicht möglich gewesen. Er habe aber einige relevante Beobach-
tungen machen können. Bei seinem Besuch auf der Station sei sie mit ängstlich
und erschrecktem Blick vor ihm zurückgewichen, obwohl die Gesprächsdistanz
mit 1.5 Metern sehr wohl gegeben gewesen sei. Sie habe lieber auf dem Gang
mit ihm sprechen wollen. Allerdings sei er nach einer Viertelstunde von ihr weg-
geschickt worden. Nach Aussagen des Pflegepersonals habe sie später gesagt,
sie habe ihn als Hexe erkannt. Seit kurzem esse die Gesuchstellerin wieder, aber
sie behaupte, das Wasser und das Essen seien vergiftet (Prot. FF120102 S. 10).
An der Hauptverhandlung zur gerichtlichen Beurteilung der Zwangsmedikation
vom 7. Juni 2012 gab der Gutachter Dr. med. E._____ zu Protokoll, die Gesuch-
stellerin sei äusserst zurückhaltend gewesen und habe nur unter Einhaltung eines
grösseren Abstandes im Gemeinschaftsraum mit ihm sprechen wollen. Insgesamt
habe sich gezeigt, dass sie nicht zuhören und einem logischen Gedankengang
nicht habe folgen können. Stattdessen habe die Gesuchstellerin viel von Hexen
und anderen unheimlichen Mächten gesprochen. Sie scheine reale Vorkommnis-
se auf der Abteilung in ihr Denksystem zu integrieren, wo diese für sie bedrohlich
würden. Wegen des stark psychotischen Zustands sei die Führung eines geord-
neten Gesprächs nicht mal im Ansatz möglich gewesen. Zudem hätten die
Beobachtungen der letzten zwei Wochen gezeigt, dass die Gesuchstellerin im
Wesentlichen unverändert erscheine und sich lediglich von Vertrauenspersonen
allenfalls etwas leiten lasse (act. 11/9 S. 2). Die Gesuchstellerin selbst gab bei der
persönlichen Befragung zu Protokoll, sie wolle keine Medikamente, weil es ihr gut
gehe. Anderenfalls würde sie welche nehmen (Prot. VI S. 8).
Eine medikamentöse Behandlung erscheint aufgrund des momentanen Gesund-
heitszustandes der Gesuchstellerin zweifellos als medizinisch angezeigt. Obwohl
sie an der Hauptverhandlung soweit ansprechbar war, dass sie den Fragen des
Einzelrichters folgen und entsprechend antworten konnte (Prot. VI S. 7 ff.), lassen
die übereinstimmenden Einschätzungen der Fachpersonen keinen anderen
Schluss zu. Dass die Gesuchstellerin das Vorliegen einer Krankheit verneint und
somit keine Krankheitseinsicht zeigt, ist vielmehr als Teil der Krankheit zu be-
trachten. Ziel der Behandlung sollte sein, die Gesuchstellerin möglichst rasch da-
zu zu bringen, die Medikamente auf freiwilliger Basis einzunehmen. Bei der Ge-
suchstellerin liegt eine seit Jahren praktisch unbehandelt gebliebene paranoide
Schizophrenie vor, welche sich mittlerweile chronifiziert hat. Gemäss Gutachter
sei prognostisch ein langer und massiv unbehandelter Verlauf einer Schizophre-
nie mit ausgeprägter Symptomatik ungünstig. Neuroleptika würden zwar grund-
sätzlich nur während der Zeit der Einnahme wirken und kaum prophylaktische
Wirkung in die weitere Zukunft haben. Entsprechend neueren Forschungsresulta-
ten gebe es aber die Überzeugung, dass eine längere unbehandelte Schizophre-
nie zu tendenziell bleibenden Hirnveränderungen führe. Deshalb sei eine mög-
lichst rasche und ausreichend dosierte Symptombekämpfung mit Neuroleptika
wichtig, da sie möglicherweise doch den zukünftigen Verlauf verbessern könne.
Eine andere medikamentöse Behandlung als mit Neuroleptika sei schulmedizi-
nisch nicht indiziert. Zudem würden Neuroleptika für eine deutliche Symptomver-
besserung bei der Gesuchstellerin sowohl jetzt während der Hospitalisation als
auch danach, wenn sie auf sich alleine gestellt in der eigenen Wohnung lebe und
die Medikamente weiterhin zu sich nehme, wichtig bis unabdingbar sein. Ein guter
Langzeitverlauf sei ohne Medikamenteneinnahme fast nicht denkbar (act. 11/9
Die Gesuchstellerin weigert sich derzeit vehement, die entsprechenden Me-
dikamente einzunehmen. Aufgrund ihres gegenwärtig stark psychotischen Zu-
stands ist ein geordnetes Gespräch ebenfalls nicht möglich. Damit sind gemäss
Gutachter die beiden wesentlichen Pfeiler einer psychiatrischen Behandlung nicht
anwendbar, was eine Zwangsbehandlung nötig macht (act. 11/9 S. 2). Eine milde-
re Massnahme ist nicht gegeben. Wie bereits erwähnt, stellt eine Nicht-
Behandlung der chronischen paranoiden Schizophrenie eine schwere Belastung
für die Gesundheit der Gesuchstellerin dar. Selbst wenn von ihr keine ernsthafte
und unmittelbare Selbst- und / oder Fremdgefährdung ausgeht, wirkt sich die
Krankheit in verschiedener Hinsicht negativ auf das Umfeld aus. Wie vorliegend
mit Blick auf die Fremdplatzierung des Sohnes und der Trennung des Ehemannes
ersichtlich wird, wird ein normales Leben praktisch unmöglich und die sozialen
Verbindungen gehen verloren (vgl. act. 11/9 S. 4). Auch wenn argumentiert wer-
den könnte, der Sohn sei mittlerweile ohnehin fremdplaziert und werde durch die
Gesuchstellerin nicht mehr unnötig belastet, ist eine normale Mutter-Kind-
Beziehung mit einer unbehandelten schweren Schizophrenie kaum möglich. Pri-
märes Ziel der Behandlung ist, dass die Gesuchstellerin möglichst bald wieder
selbständig in ihrer Wohnung leben kann. Insgesamt ist festzuhalten, dass derzeit
die nötige Fürsorge nicht durch eine mildere Massnahme erbracht werden kann.
Eine Einschliessung ist klar keine Alternative.
9.1 Die Klinikärzte befürworten eine Behandlung mit dem Neuroleptikum Haldol
in Verbindung mit dem Beruhigungsmittel Temesta (act. 11/2). Gemäss Gutachter
entspreche der Therapievorschlag der Klinik in Form eines klassischen und gut
bekannten Neuroleptikums sowie dem angstlösenden Temesta einer adäquaten
Therapie. Haldol habe eine relativ sichere antipsychotische sowie dämpfende
Wirkung. Allerdings könne Haldol während der Behandlungszeit unangenehme
(motorische) Nebenwirkungen zur Folge haben und man wisse von irreversiblen
Spätfolgen nach jahrelangem Medikamenteneinsatz. Die Nebenwirkungen von
Haldol seien hauptsächlich Veränderungen im Bewegungsmuster, sogenannte
motorische, genauer extrapyramidale, Nebenwirkungen. Diese könnten aber gut
mit Akineton beherrscht werden. Die neueren, sogenannten atypischen Neurolep-
tika hätten im Gegensatz zu den typischen, wie beispielsweise Haldol, ein deutlich
geringeres Nebenwirkungspotential. Hier seien die Nebenwirkungen viel breiter
gestreut, beispielsweise Einwirkungen auf den Schlaf, die Wachheit, Ernährung
und Gewicht, Sexualität und hormonales Gleichgewicht etc. Möglicherweise sei
aber die Hauptwirkung bei einer so ausgeprägten Symptomatik, wie es hier vor-
liege, etwas weniger sicher. Die Klinik könne aber sicher über ihren zukünftigen
Therapieplan befragt werden, ob sie beispielsweise plane, nach einer gewissen
Symptomverbesserung von Haldol auf ein neueres Neuroleptikum umzustellen. In
jedem Falle müsse die gewählte Dosierung dem aktuellen Krankheitsbild und dem
zeitlichen Verlauf angepasst werden (act. 11/9).
9.2 Der Klinikarzt führt in seiner Stellungnahme aus, der Gutachter habe den
Wirkstoff von Haldol mit neueren Neuroleptika verglichen. Die Klinik habe sich für
das ältere Präparat entschieden, welches längerfristig möglicherweise unange-
nehmere Nebenfolgen habe. Der Grund für diesen Entscheid sei, dass die Abga-
be der Medikamente jeweils unangenehm sei, weshalb Temesta dazu gegeben
werde. Das ältere Präparat könne man intramuskulär und dabei in Kombination
mit dem Beruhigungsmittel Temesta spritzen, was mit den neueren Präparaten
nicht möglich sei. Sobald eine Verbesserung des Gesundheitszustandes ersicht-
lich sei, könne selbstverständlich rasch auf ein neues Medikament umgestellt
werden, welches im längeren Verlauf möglicherweise etwas besser toleriert und
die Akzeptanz der Patientin erhöhen würde. Wie der Gutachter richtig dargestellt
habe, gebe es nie eine Garantie dafür, dass die Behandlung funktioniere. Den-
noch bestehe die berechtigte Hoffnung, dass sich der Zustand der Patientin durch
die Medikation deutlich verbessere und sich das Problem etwas löse, sobald eine
9.3 Die Gesuchstellerin macht eventualiter geltend, wenn eine Medikation zur
Anwendung gelangen solle, so sei das mildeste, schonendste und erfolgverspre-
chendste Medikament zu wählen. Der Gutachter habe auf die Möglichkeit von so-
genannten atypischen Neuroleptika hingewiesen. Das Medikament Haldol werde
demgegenüber diesen neueren Medikamenten in ärztlicher Einschätzung als ver-
altet, überholt und belastend eingeschätzt. Falls eine Zwangsmedikation als un-
ausweichlich betrachtet werde, sei diese in dem Sinne einzuschränken, dass ein
geeignetes atypisches Neuroleptikum statt des Haldols vorzuschreiben wäre.
Subeventualiter sei vorzuschreiben, dass spätestens nach einem Monat auf das
geeignete Medikament zu wechseln sei; dies umso mehr, als Haldol/Temesta ab-
hängig mache und – wie erwähnt – unerwünschte Nebenfolgen aufweise (act. 13
9.4 Die medizinische Indikation als Voraussetzung einer Zwangsbehandlung
verweist auf die anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst. Die angeordnete The-
rapie muss nach dem derzeitigen Wissensstand eine bzw. die angebrachte Reak-
tion auf die Krankheit der betroffenen Person sein. Dabei ist den verantwortlichen
Ärzten ein Ermessensspielraum zuzugestehen (BGer 5A_524/2009 vom
9.5 Soweit ersichtlich, wurde die Gesuchstellerin noch nie mit Haldol behandelt.
Stattdessen nahm sie gemäss Angaben von Dr. med. F._____ vor Jahren kurz-
zeitig Risperdal ein. Daraufhin habe sich die Symptomatik laut Ehemann verbes-
sert, aber die Gesuchstellerin habe die Medikation rasch wieder abgesetzt und in
der Folge abgelehnt (act. 16/8). Nützliche Erfahrungswerte über die konkrete Wir-
kung von Neuroleptika bei der Gesuchstellerin liegen demnach keine vor.
Der Klinikarzt spricht sich deutlich – zumindest für eine erste Phase – für eine Be-
handlung mit Haldol aus. Als Hauptgrund dafür gibt er die Möglichkeiten bei der
Verabreichung an. Der Gutachter äussert sich darüber nicht (act. 11/9).
Eine Zwangsmedikation stellt einen schweren Eingriff in die verfassungsmässigen
Rechte eines Menschen dar (BGE 130 I 16). Folglich gilt es abzuwägen, welches
Medikament den kleinst möglichen Eingriff darstellt und somit verhältnismässig
ist. Dass eine Behandlung mit Neuroleptika aufgrund der schweren Schizophrenie
der Gesuchstellerin grundsätzlich geeignet und sinnvoll ist, wurde bereits einge-
hend erläutert. Offenbar ist eine Behandlung mit Haldol von der Hauptwirkung her
erfolgversprechender und in der Abgabe angenehmer, dafür sind die möglichen
Nebenwirkungen gravierender als bei atypischen Neuroleptika. Primäres Ziel der
Behandlung sollte eine möglichst rasche Wirkung des Medikaments sein, so dass
die Gesuchstellerin klarer denken kann und speziell die Vergiftungsängste ver-
schwinden. Dadurch sollte sie die Angst vor den Medikamenten verlieren und den
Sinn einer Medikation nach einigen Tagen oder Wochen zumindest teilweise er-
langen (act. 9 S. 2). Eine demütigende und schwierige Verabreichung des Medi-
kaments ist als ebenso belastend zu betrachten wie auftretende schwere Neben-
wirkungen. Insgesamt gilt es zu bedenken, dass die angeordnete Therapie nach
dem derzeitigen medizinischen Wissensstand eine bzw. die angebrachte Reakti-
on auf die Krankheit der betroffenen Person sein muss. Dabei ist den verantwort-
lichen Ärztinnen und Ärzten ein Ermessensspielraum zuzugestehen. So kann et-
wa die Wahl oder angeordnete Dosierung der Medikamente aus derselben Wirk-
stoffgruppe nicht durch die Kammer überprüft werden (Urteil des Bundesgerichts
vom 2. September 2009, 5A_524/2009). Der Gutachter stellt sich nicht vehement
gegen eine Medikation mit Haldol, sondern verweist lediglich, aber immerhin, in
Bezug auf die Schwere von Nebenwirkungen auf andere Medikamente. Im Sinne
des Behandlungskonzepts ist die Zwangsbehandlung deshalb trotzdem mit Haldol
einzuleiten, sobald sich aber eine relevante Verbesserung des Gesundheitszu-
stands der Gesuchstellerin feststellen lässt und sie gesprächsbereiter wird, ist un-
verzüglich – sofern ärztlich vertretbar – auf ein sogenanntes atypisches Neurolep-
tikum zu wechseln. Schliesslich wird die Akzeptanz einer Medikation höher sein,
wenn die Nebenwirkungen nicht derart gravierend sind. Entgegen dem Antrag der
Gesuchstellerin kann für einen Wechsel auf ein neueres Medikament keine feste
Zeitspanne angeordnet werden. Letztlich liegt es in der Verantwortung des be-
handelnden Ärzteteams, für die Umstellung den richtigen bzw. den dem Behand-
lungsverlauf entsprechenden Zeitpunkt festzulegen.
Gemäss Gutachter beabsichtigen die Klinikärzte eine Zwangsbehandlung wäh-
rend acht Wochen. Seiner Ansicht nach besteht aber die berechtigte Hoffnung,
dass die Gesuchstellerin schon früher lenkbarer wird und somit die Medikamente
auf freiwilliger Basis einnimmt (act. 11/9 S. 4).
9.6 Insgesamt ist die Anordnung der Zwangsmedikation als verhältnismässig zu
bezeichnen und bezüglich der möglichen Nebenwirkungen vertretbar, sofern von
Haldol möglichst rasch auf ein atypisches Neuroleptikum umgestellt wird.
9.7 Die Berufung erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen. Die Psychi-
atrische Klinik B._____ ist daher zu ermächtigen, die am 30. Mai 2012 angeord-
10.1. Mit Eingabe vom 11. Juni 2012 stellte der Rechtsvertreter der Gesuchstelle-
rin das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im Sinne von Art. 117 ff. ZPO
(act. 5). Da die Gesuchstellerin seit Jahren Sozialhilfe bezieht (act. 11/7) und so-
mit offensichtlich mittellos ist und das Rechtsmittelverfahren nicht zum vornherein
als aussichtslos bezeichnet werden kann, ist die unentgeltliche Rechtspflege zu
10.2 Ausgangsgemäss sind die Kosten des Rechtsmittelverfahrens der Gesuch-
stellerin aufzuerlegen, jedoch zufolge der Gewährung der unentgeltlichen Rechts-
pflege gestützt auf Art. 122 Abs. 1 lit. b ZPO auf die Gerichtskasse zu nehmen.
Die Nachzahlungspflicht gemäss Art. 123 ZPO bleibt vorbehalten. Rechtsanwalt
lic. iur. X._____ wird nach Einreichung seiner Honorarnote gestützt auf Art. 122
Abs. 1 lit. ZPO aus der Gerichtskasse entschädigt. Es wird beschlossen:
Der Gesuchstellerin wird die unentgeltliche Prozessführung für das Rechts-
mittelverfahren bewilligt, und es wird ihr in der Person von Rechtsanwalt
lic. iur. X._____ ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bestellt.
Schriftliche Mitteilung zusammen mit dem nachfolgenden Erkenntnis. und sodann erkannt:
Die Berufung wird abgewiesen, und das Urteil des Einzelgerichtes des Be-
zirksgerichts Zürich vom 7. Juni 2012 wird bestätigt.
Die zweitinstanzliche Entscheidgebühr wird auf Fr. 500.– festgesetzt.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens werden der Gesuchstellerin aufer-
legt, jedoch zufolge der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege einst-
weilen auf die Gerichtskasse genommen. Eine Nachzahlungspflicht bleibt
Schriftliche Mitteilung an die Gesuchstellerin, an die verfahrensbeteiligte
Klinik sowie – unter Rücksendung der Akten – an die Vorinstanz, je gegen
Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht ist innert
30 Tagen von der Zustellung an beim Schweizerischen Bundesgericht,
1000 Lausanne 14, einzureichen. Zulässigkeit und Form einer solchen Be-
schwerde richten sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder
Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) in Verbindung mit Art. 42
des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG).
Dies ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG.
Es handelt sich um eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit.
Die Beschwerde an das Bundesgericht hat keine aufschiebende Wirkung.
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