Aktuelle Diagnostik & Therapie | Review article
Antibiotikatherapie in der Schwangerschaft Antibiotic therapy in pregnancy A. Haas 1 G. Maschmeyer 1 Institut
1 Medizinische Klinik, Abt. Hämatologie und Onkologie, Klinikum Ernst von Bergmann, Potsdam
Einleitung
handlung mit einem kontraindizierten Antibioti-
Infektiologie, Gynäkologie
Während Infektionen in der Frühschwanger-
Schlüsselwörter q
schaft neben der Verursachung chromosomaler
Schäden eine Hauptursache für einen Abort dar-
kurzgefasst
stellen, sind sie im zweiten und dritten Trime-
non der wichtigste Grund für vorzeitige Wehen
Letztendlich darf zwar kein Antibiotikum
mit Frühgeburtlichkeit, für einen vorzeitigen
als vollkommen unbedenklich deklariert
Blasensprung mit dem Infektionsrisiko für das
werden, aber Frauen dürfen aus Angst vor
Neugeborene und das Wochenbett [8]. Neben
unerwünschten Nebenwirkungen auch Key words q
den schwangerschaftsassoziierten Infektionen
nicht Abstand von einer Antibiotikumein-
wie hämatogene und vaginal aszendierende In-
nahme nehmen, die zur Vermeidung eines
fekte sind auch die nicht schwangerschaftsbe-
kindlichen Schadens durch eine Infektion
dingten Infekte wegen ihrer potentiellen Gefähr-
dringend notwendig wäre.
dung von Mutter und Kind gefürchtet. Viele
Schwangere sind mit der Einnahme von Antibio-tika wegen potentieller therapiebedingter Risi-
Maternale Infektionen in der
ken für das ungeborene Kind sehr zurückhal-
Schwangerschaft
tend. Auch behandelnde Ärzte stellen die Indika-
tion zur antibiotischen Therapie entsprechend
Mütterliche Gefährdung
restriktiv und wählen Mittel unter dem Ge-
Grundsätzlich ist die Infektionsabwehr in der
sichtspunkt der am besten belegten Verträglich-
Schwangerschaft nicht verringert. Es kommt je-
doch zu typischen schwangerschaftsassoziiertenInfektionen wie aszendierenden Harnwegsinfek-
Ungleich häufiger ist jedoch eine medikamentö-
ten, vaginalen Candidosen und auch vaginal as-
eingereicht 15.10.2007
se und auch antibiotische Therapie in Unkennt-
zendierenden Endometritiden bis zur Sepsis. akzeptiert 10.1.2008
nis der vorliegenden Schwangerschaft. In den
Darüber hinaus können aber auch latente Infek-
letzten Jahren betrifft dies insbesondere Chino-
tionen wie beispielsweise Virushepatitiden re-
Bibliografie
lone und Tetrazykline [9]. Es besteht derzeit
aktiviert werden. Aus dem Spektrum der in
DOI 10.1055/s-2008-1046742
trotz der in den Fachinformationen und Pa-
Tab. 1 dargestellten bakteriellen, viralen und an-
ckungsbeilagen enthaltenen, jedoch meist nur
deren wesentlichen maternalen Infektionen sol-
kurzen und eher pauschalen Mitteilungen über
len in den folgenden Abschnitten einige wegen
Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0012-0472
die Notwendigkeit einer kritischen Indikations-
ihrer klinischen Bedeutung herausgegriffen wer-
stellung und die Ungewissheit embryonaler und
Korrespondenz
fetaler Verträglichkeit Unsicherheit bei den
Dr. Antje Haas
schwangeren Frauen und ihren Ärzten. So neh-
Fetale Schädigung
men Frauen eventuell Abstand von einer Antibi-
Im ersten Trimenon bedeuten direkte virale In-
fektionen unter Mitbeteiligung der Plazenta we-
kindlichen Schadens durch das mikrobielle
gen irreparabler Embryopathien und des intrau-
Klinikum Ernst von BergmannCharlottenstr. 72
Agens dringend notwendig wäre. Letztendlich
terinen Fruchttods die größere Gefahr für das
darf zwar kein Antibiotikum als vollkommen un-
Kind. Durch eine passiv übertragene Immunität
bedenklich deklariert werden [20], aber nach ak-
des Feten bei diaplazentarem Übertritt mütterli-
tuellem Wissensstand rechtfertigt auch eine Be-
cher Immunglobuline ist etwa ab der 14.
Aktuelle Diagnostik & Therapie | Review article
Der Arzneimittelstoffwechsel ist komplizierter; die Konzentra-
Maternale Infektionen in der Schwangerschaft.
tion der verabreichten Substanzen von zusätzlichen Faktorenabhängig. Die Aufnahme, Verteilung und Verstoffwechselung
bakterielle Infektionen virale Infektionen andere Infektionen
erfolgt zunächst durch die Mutter, erst danach passieren die
Substanzen bzw. ihre Metaboliten die Plazenta. Die plazentare
Schranke verhält sich für jede Substanz unterschiedlich. Stoffe
mit einer Molekularmasse über 800 Dalton können sie nicht
passieren [22]. Nach dem kindlichen Stoffwechsel erfolgt die
Exkretion in das Fruchtwasser, dann die Rückresorption und die
Ausscheidung durch die Mutter. Die fetale Leber nimmt ihre
Funktion ab dem dritten Schwangerschaftsmonat auf.
Es können verschiedene risikobewertende Klassifikationssyste-
me als Entscheidungshilfen zur Berücksichtigung der Eignungder Antibiotika für die Anwendung in der Schwangerschaft und
Schwangerschaftswoche mit einer fetalen Immunkompetenz zu
der stadienabhängigen Wirkung auf das Kind benutzt werden.
rechnen. Neben dem direkten Schädigungsmechanismus des
Die Einteilung der amerikanischen Arzneimittelzulassungsbe-
Kindes durch eine Infektion ist auch eine indirekte Schädigung
hörde (FDA) arbeitet mit 5 Kategorien, die Tabellen der Roten
durch Hyponutrition, Hypoxämie und Frühgeburtlichkeit mög-
Liste® verwenden 11 Chiffren. Dabei berücksichtigt die FDA we-
lich. Unter der Geburt sind es neben viralen Erregern bakterielle
niger die von der Schwangerschaftsphase abhängigen Bedin-
Infektionen wie beispielsweise eine early-onset-GBS-Infektion.
gungen, während die Empfehlung der Roten Liste trotz höheren
Bei ungefähr 50% der spontanen Frühgeburten wird ein Zusam-
Differenzierungsgrades den Nachteil hat, weniger die Einzel-
menhang mit Infektionen vermutet. Der weheninduzierende Ein-
substanzen, sondern nur in ganzen Substanzklassen zu katego-
fluss bakterieller Infektionen durch die Sekretion von Prostaglan-
risieren. In der vorliegenden Arbeit sollen zur einfacheren Ori-
dinen an der amniochorialen Grenzschicht durch u.a. Makropha-
entierung bestimmte, wesentliche Infektionen mit konkreten,
gen mit direkter Aktivierung des Myometriums kann als biolo-
bestmöglich belegten Therapieempfehlungen versehen werden.
gisch durchaus sinnvoll interpretiert werden [17]. Einerseits istdie Induktion eines terminalen Wehenprozesses sinnvoll, da die
kurzgefasst
infektiös bedingte Induktion zytotoxischer Effektorzellen mögli-
Die Auswahl der antimikrobiellen Substanzen erfolgt auch
cherweise die Toleranz gegenüber dem semiallogenetischen Fe-
in der Schwangerschaft primär in Abhängigkeit von den
ten verringert. Andererseits kann in der Fruchtausstoßung bei in-
Erregern und ihrem Resistenzspektrum. Als Entscheidungs-
fektiöser Bedrohung ein evolutionsbiologischer Schutzmechanis-
hilfen können risikobewertende Klassifikationssysteme zur
mus vermutet werden, der bei lebensbedrohlicher Infektion ei-
Berücksichtigung der Eignung der Antibiotika für die
nes großen mütterlichen Hohlorgans das Überleben der weiter
Anwendung in der Schwangerschaft und der stadien-
reproduktionsfähigen Mutter ermöglicht. abhängigen Wirkung auf das Kind benutzt werden. kurzgefasst Unbedenkliche Antibiotika Im ersten Trimenon sind irreparable Embryopathien und
Antibiotika der ersten Wahl, die über alle drei Trimena ohne fe-
der intrauterine Fruchttod die größte Gefahr für das Kind.
tale Fehlbildungen oder andere unerwünschte Effekte beim
Etwa ab der 14. Schwangerschaftswoche ist mit einer
Kind verabfolgt werden können, stellen wie in der folgenden Ta-
fetalen Immunkompetenz zu rechnen. Bei einem hohen
belle dargestellt, Penicilline dar. Sowohl Penicilline als auch Anteil der spontanen Frühgeburten wird ein Zusammen-
beta-Lactamaseinhibitoren passieren die Plazenta. Ihre Clearan-
hang mit Infektionen vermutet.
ce ist in der Schwangerschaft sogar erhöht [11]. Eine mütterli-che Penicillinallergie muss selbstverständlich berücksichtigtwerden. Antimikrobielle Substanzen 5
Auch Cephalosporine sind plazentagängig und in therapeuti- Auswahlprinzipien
scher Dosis ohne fruchtschädigende Nebenwirkungen, ebenfalls
Die antibiotische Behandlung einer bakteriellen Infektion wäh-
mit erhöhter Clearance in der Schwangerschaft und ggf. not-
rend der Schwangerschaft verfolgt sowohl das Ziel, einen Scha-
wendiger Dosisanpassung [11]. Wegen der möglichen Auslö-
den von der Mutter als auch von der Entwicklung des ungebore-
sung autoimmunologischer Nebenwirkungen bei Cephalospori-
nen Kindes fernzuhalten. Die Auswahl der antimikrobiellen
nen der zweiten und dritten Generation sollten die am längsten
Substanzen erfolgt auch in der Schwangerschaft primär in Ab-
bekannten Präparate wie beispielsweise Cefazolin verwendet
hängigkeit von nachgewiesenen oder zu erwartenden Erregern
und ihrem Resistenzspektrum. Unerwünschte Nebenwirkungenbei der Patientin selbst können während einer Schwangerschaft
Erythromycin gehört ebenfalls zu den für den Fetus bzw. Em-
ausgeprägter auftreten [3]. Darüber hinaus muss die Phase der
bryo sicheren Substanzen. Hier ist aber angesichts der Molekül-
Schwangerschaft und die Entwicklung des Kindes differenziert
größe aller Makrolidantibiotika mit nur eingeschränktem Über-
tritt in den fetalen Kreislauf zu rechnen [8]. Eine möglicherwei-se stärkere Hepatotoxizität ist bei Erythromycinestolat, abernicht bei Erythromycinethylsuccinat zu berücksichtigen. Die
Dtsch Med Wochenschr 2008; 133: 511–515 · A. Haas u. G. Maschmeyer, Antibiotikatherapie in der …
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neueren Substanzen aus der Makrolidgruppe wie Azithromycin,
rimentelle embryotoxische Effekte beschrieben worden. Häma-
Clarithromycin und Roxithromycin sollten mangels Erfahrungen
totoxische Nebenwirkungen sind auch für den Embryo bzw. den
in der Schwangerschaft nicht primär verwendet werden. Dabei
ist Clarithromycin wegen seiner deutlich besseren Plazentagän-gigkeit als Erythromycin und der Wirksamkeit bei Mykoplas-
Kontraindizierte Antibiotika
men eine durchaus therapeutisch interessante Substanz, jedoch
Chinolone (Hemmstoffe der bakteriellen Topoisomerase) sind
wegen des nicht geklärten teratogenen Potentials nur mit Indi-
aufgrund fehlender Erfahrungen und tierexperimenteller Knor-
kationseinschränkung zu verwenden [22].
pelveränderungen in der Schwangerschaft kontraindiziert.
Auch Meropenem und Imipenem stellen unbedenkliche Präpa-
Zu den Antibiotika mit Kontraindikation vor dem 5.Schwanger-
rate aus der Gruppe der Beta–Lactame dar, sind aber wegen ih-
schaftsmonat gehören wegen der ossären und dentalen Verän-
res antimikrobiellen Keimspektrums als Reservepräparate an-
derungen und Katarakte des Kindes auch die Tetrazykline.
Missbildungen sind jedoch nicht beobachtet worden, so dassein Schwangerschaftsabbruch bei versehentlicher Einnahme
kurzgefasst
nicht indiziert erscheint [9]. Für die Mutter sind auch hepatoto-xische und nephrotoxische Nebenwirkungen in der Schwanger-
Unbedenkliche Antibiotika während aller Trimena sind [20]: Penicillin, Mezlozillin, Ampicillin, Erythromycin, Amoxicillin sowie Cephalosporine der I. Generation. Therapieempfehlungen zu ausgewählten Antibiotika mit Indikationseinschränkung Erkrankungen
Die Linkosamide sind zwar ohne teratogene Wirkungen beim
Menschen bereits verabreicht worden, haben aber mit Clinda-
Harnwegsinfekte
mycin eine hohe Inzidenz (2–10%) pseudomembranöser Ente-
Harnwegsinfekte in der Schwangerschaft sollten entsprechend
rokolitiden [8]. Ihr Einsatz sollte sich auf refraktäre Infektionen
der aktuellen Therapieleitlinie der AG Urogynäkologie der
gegenüber Penicillinen, Cephalosporinen und Erythromycin be-
DGGG auch bei asymptomatischer Bakteriurie mit nichtsignifi-
kanter Keimzahl (<105/ml) behandelt werden. In 30% der Fälledroht ohne Behandlung eine Pyelonephritis [1]. Mit einer anti-
Aminoglykoside sollten wegen der potentiellen und auch bei
biotischen Therapie wird darüber hinaus auch das Risiko der
Kindern beobachteten oto- und nephrotoxischen Nebenwirkun-
Frühgeburtlichkeit gesenkt. Verursachende Erreger sind zu-
gen generell nicht verabreicht werden. Dies gilt insbesondere
meist E. coli und andere Enterobakterien. Die Therapie der
bis zum 4. Schwangerschaftsmonat [18]. Allerdings kann es für
asymptomatischen Bakteriurie und der Cystitis / Urethritis soll-
Aminoglykoside beispielsweise im Rahmen einer lebensbe-
te entweder mit Penicillinen oder Cephalosporinen über drei
drohlichen Situation unter Abwägung des Nutzen-Risiko-Ver-
Tage erfolgen. Die Pyelonephritis benötigt zunächst eine intra-
hältnisses eine Indikation geben. Glykopeptide sind wegen ih-
venöse, nach Besserung dann orale Therapie über insgesamt
rer Nephrotoxizität ebenfalls nur als Reservepräparate in le-
10–14 Tage. Eine Partnermitbehandlung ist nicht erforderlich.
bensbedrohlichen Situationen einzusetzen. Möglicherweise be-
Eine Woche nach Abschluss der antibiotischen Behandlung wird
steht hier auch ein teratogenes Potential. Sulfonamide stehen im antibiotischen Therapiespektrum nicht Erkrankungen des Neugeborenen durch
mehr in der ersten Reihe, können aber als Reservepräparate z.B. Gruppe-B-Streptokokken
in der Kombinationstherapie als Cotrimoxazol auch in der
20% der Schwangeren sind durch Lancefield-Gruppe-B-Strepto-
Schwangerschaft angesehen werden. Allerdings bestehen durch
kokken, z.B. S. agalactiae im Gastrointestinal- und Urogenital-
die Beeinflussung des kindlichen Folsäurestoffwechsels mit
trakt besiedelt. Bei diesen Frauen ist zu erwarten, dass 50% der
möglicher Induktion von Neuralrohrdefekten und bei präparta-
Neugeborenen ebenfalls kolonisiert sind, aber nur in einem An-
ler Applikation drohender Hyperbilirubinämie des Neu- oder
teil von 2% der Neugeborenen mit einer Infektion zu rechnen ist
Frühgeborenen (durch Verdrängung von Bilirubin aus der Plas-
[19]. Besonders bedrohlich stellt sich die „early-onset“-Manifes-
maeiweißbindung) Anwendungseinschränkungen. Im Tierexpe-
tation (innerhalb der ersten Lebenswoche) mit schweren Ver-
riment bestand der Verdacht auf mutagene Nebenwirkungen.
läufen wie Meningitis, Pneumonie mit ARDS und fulminanter
Dies konnte beim Menschen, auch in der Analyse großer Patien-
Sepsis dar. Im Überlebensfall ist mit schweren Schäden wie kor-
tinnengruppen, bislang nicht bestätigt werden [6].
tikaler Blindheit, einer allgemeinen Entwicklungsverzögerungund mentaler Retardierung zu rechnen. Neben der maternalen
Eine vergleichbare Stellung nehmen Metronidazol und Chlo-
Kolonisierung gelten ein prolongierter Blasensprung, periparta-
ramphenicol ein. Zwar sind beim Menschen keine teratogenen
les Fieber, eine positive Anamnese mit einer bereits zurücklie-
Wirkungen bekannt, jedoch unter tierexperimenteller Applika-
genden Geburt mit B-Streptokokkeninfektion und eine Frühge-
tion von Metronidazol sind sowohl tumorigene als auch genoto-
burt als weitere Risikofaktoren [8].
xische Wirkungen beschrieben worden. Darüber hinaus kannMetronidazol das Risiko der Frühgeburtlichkeit erhöhen [13].
GBS-Trägerinnen profitieren von einer antibakteriellen Prophy-
Unter Chloramphenicol ist bei Einnahme im letzten Trimenon
laxe ab dem Beginn der Wehen bzw mit dem Blasensprung [19].
mit dem lebensbedrohlichen Grey-Syndrom beim Neugebore-
Antibiotikum der ersten Wahl stellt Penicillin G dar. Es sollten
nen zu rechnen [9, 20]. Darüber hinaus sind auch hier tierexpe-
zunächst 5 Mio E i.v., anschließend 2,5 Mio E alle 4 h bis zurEntbindung verabreicht werden. Alternativ ist auch Ampicillin
Dtsch Med Wochenschr 2008; 133: 511–515 · A. Haas u. G. Maschmeyer, Antibiotikatherapie in der …
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2 g i.v. und anschließend 1 g alle 4 h zu empfehlen. Die Neuge-
seübertragung kann auch erst nach Jahren durch eine retinale
borenen sollten mindestens 48 Stunden nach der Geburt statio-
Herdbildung im Rahmen einer Reaktivierung manifest werden.
när beobachtet werden. Das Risiko einer „early-onset“-Erkran-
Die Diagnose der mütterlichen Primärinfektion wird serolo-
kung ist nach einem Routinescreening gegenüber einem risiko-
gisch gestellt. Im Gegensatz zu anderen Lebensphasen ist in der
adaptierten Vorgehen niedriger [19].
Schwangerschaft jede Toxoplasmoseinfektion therapiepflichtig. Eine Toxoplasmose bis zur 16. Schwangerschaftswoche stellt
Gonorrhoe
eine Indikation für 3 g/d Spiramycin über 4 Wochen dar, später
Eine Infektion mit Neisseria gonorrhoeae, die zu 80% asympto-
ist eine Kombination aus Pyrimethamin (1. Tag 50 mg, weiter
matisch vorliegt, ist mit einem hohen Risiko für vorzeitige We-
25 mg/d über 4 Wochen) und Sulfadiazin (3 g/d über 4 Wochen)
hen und auch einem vorzeitigen Blasensprung verbunden. Bei
unter Folsäuresubstitution von 10 mg/d indiziert. Ein Mangel an
intrapartaler Übertragung droht eine Ophtalmia neonatorum.
Folsäure wird pathogenetisch im Zusammenhang mit der Ent-
Therapeutisch ist hier während der Schwangerschaft Ceftriaxon
stehung von Neuralrohrdefekten gesehen [9].
zu empfehlen. Die Therapiedauer ist bei unkomplizierter Gono-kokkenzervizitis mit drei Tagen intravenöser Therapie ausrei-
Listeriose
chend, eine disseminierte Infektion mit Fieberschüben, Hauter-
Die Infektion mit Listeria monocytogenes erfolgt durch rohe
scheinungen und Gelenkbeschwerden muss über 10 Tage be-
Milch und andere rohe Tierprodukte. Schwangere mit einer In-
handelt werden. Es sollte die Partnermitbehandlung berück-
suffizienz der T-zellabhängigen Immunabwehr sind besonders
gefährdet. Der Nachweis muss kulturell erfolgen. Nach einer un-spezifischen, grippeähnlichen Symptomatik kann die transpla-
Chlamydieninfektionen
zentaer Infektion des Kindes zu jedem Schwangerschaftszeit-
2–8% der Population im reproduktionsfähigen Alter sind mit
punkt erfolgen. In Deutschland sind jährlich 20–40 Kinder be-
Chlamydien im Bereich der Zervix infiziert [15]. Die Infektion
troffen. Das Risiko für das Ungeborene reicht vom intrauterinen
verläuft meist subakut, kann aber neben der Zervizitis durch
Fruchttod über Pneumonien bis zu Meningitiden. Eine miliare
verschiedene Chlamydia-trachomatis-Serotypen auch eine as-
Aussaat kann beim Neugeborenen zur Granulomatosis infanti-
zendierende Endometritis mit Auslösung eines vorzeitigen Bla-
septica führen. Die Mortalität ist trotz einer kombinierten The-
sensprungs und Frühgeburtlichkeit verursachen. Über Schmier-
rapie des Neugeborenen mit Ampicillin und Aminoglykosid
infektion sind Konjunktivitiden und über autoimmunologische
hoch. In der Schwangerschaft wird mit Ampicillin oral mono-
Mechanismen auch Arthritiden möglich. Die Infektion des Neu-
geborenen erfolgt unter der Geburt. Die Therapie erfolgt mittelsMakrolidantibiotikum (Erythromycin 2 g/d, oral möglich). Ein
Borreliose
Die Infektion mit Borrelia burgdorferi erfolgt durch Zecken inbestimmten Endemiegebieten und zeigt stadienabhängig neben
dem Erythema migrans klinisch sehr unterschiedliche Manifes-
Die Inzidenz einer Infektion mit Treponema pallidum in der
tationen (Lymphadenosis cutis benigna/ Acrodermatitis chroni-
Schwangerschaft liegt bei 1,0–1,4 pro 100 000 in den USA [4],
ca atrophicans/ Lyme-Erkrankung). Die Diagnose ist unter Be-
kann aber in Regionen mit höherer Prävalenz bis zu 0,5% betra-
rücksichtigung des Vorhandenseins spezifischer Banden serolo-
gen [5]. Transplazentare Infektionen sind zu jedem Zeitpunkt
gisch zu stellen. Die Therapie einer akuten Infektion kann durch
der Schwangerschaft möglich, allerdings im ersten Trimenon
orales Amoxicillin über ca. 2 Wochen erfolgen. Inwieweit durch
meist mit einem intrauterinen Fruchttod verbunden. Die kli-
das Vorhandensein einer chronischen Krankheitsaktivität bei
nisch manifeste konnatale Lues dagegen ist die Folge einer In-
der Schwangeren mit autoimmunologisch bedingten Sympto-
fektion ab der 15. SSW. Darüber hinaus kann die Infektionsüber-
men eine kindliche Schädigung möglich bzw. zu erwarten ist,
tragung unter der Geburt geschehen. Ein Screening mittels
erscheint unsicher. Die vorsichtshalber anzuratende Spätthera-
TPHA und VDRL wird seit vielen Jahren durchgeführt. Die Diag-
pie erfolgt mit intravenöser Gabe von Ceftriaxon über 4 Wo-
nostik erfolgt mit spezifischen 19S-IgM-Antikörpern. Auch in
der Schwangerschaft stellt ein Penicillinpräparat die Therapieder Wahl dar. Wegen der nur 20–30% betragenden kindlichen
Vorzeitiger Blasensprung
Plasmaspiegel muss entsprechend hoch dosiert und wegen der
Es wird angenommen, dass in bis zu 80% eine aus dem Vaginal-
langsamen Zellteilungsrate der Treponemen ausreichend lange
milieu aszendierende Infektion die Ursache des Blasensprungs
behandelt werden (z.B. Penicillin G 2,4 Mio IE/d über 3 Wochen,
darstellt [22]. Besonders beim frühen vorzeitigen Blasensprung
bei Penicillinallergie Erythromycin 2 g/d über einen Monat).
(vor der vollendeten 34. SSW) verfolgt die Antibiotikatherapieneben der erfolgreichen Reduktion mütterlicher und fetaler In-
Toxoplasmose
fektionsrisiken das Ziel der Aufrechterhaltung der Schwanger-
Etwa die Hälfte der erwachsenen Population in Mitteleuropa
schaft [7]. Die Antibiotikatherapie richtet sich in erster Linie ge-
besitzt Antikörper gegen Toxoplasma gondii [8, 15]. Angesichts
gen GBS und E. coli. Nach den Therapieleitlinien der Deutschen
der oftmals uncharakteristischen Beschwerden geht es beim
Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe von 2006 gilt Pe-
ggf. wiederholten Toxoplasmosescreening in der Schwanger-
nicillin G in einer anfänglichen i.v. Dosis von 5 Mio.E mit an-
schaft um die Erkennung von maternalen Erstinfektionen. Die
schließender Gabe von 2,5 Mio.E alle 4 h bis zur Geburt als Mit-
Inzidenz in Deutschland liegt gegenwärtig bei 6000–7000 Erst-
infektionen bei Schwangeren im Jahr. Zwar nimmt die Übertra- gungshäufigkeit im Verlauf der Schwangerschaft von der Mutter
In den aktuellen mikrobiologischen Untersuchungen der Amni-
auf das Kind zu, die Schädigungswahrscheinlichkeit durch eine
onflüssigkeit stehen Mykoplasmen im Vordergrund [13]. In ei-
intrauterine Erkrankung jedoch ab. Eine konnatale Toxoplasmo-
ner Metaanalyse, die die Daten von 1807 Frauen mit überdurch-
Dtsch Med Wochenschr 2008; 133: 511–515 · A. Haas u. G. Maschmeyer, Antibiotikatherapie in der …
Aktuelle Diagnostik & Therapie | Review article
schnittlichem frühgeburtlichem Risiko berücksichtigte, zeigte
Literatur
sich beim Vergleich einer prophylaktischen Gabe von Makroli-
1 AWMF Therapieleitlinien zum Harnwegsinfekt in der Schwanger-
den mit Placebo eine niedrigere Rate vorfristiger Geburten. Bei
schaft, Nr.015/010, Gültigkeit 04/2006 bis 06/2011 Deutsche Gesell-
einer Applikation von Metronidazol im mittleren Trimester er-
schaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, 2006http://leitlinien.net/
gab sich nach dieser umfassenden Analyse jedoch ein höheres
2 AWMF Therapieleitlinien zum vorzeitigen Blasensprung, Nr. 015/
Risiko für eine Frühgeburt [13]. Die Bedeutung von Ureaplasma
029, Gültigkeit 06/2006 bis 06/2011 Deutsche Gesellschaft für Gynä-
urealyticum ist nicht unumstritten [21], so dass Makrolide als
kologie und Geburtshilfe, 2006 http://leitlinien.net/ (letzter Zugriff
hier einzige wirksame Substanzgruppe bisher nicht in die Emp-
fehlung eingegangen sind. Dabei wäre die Empfehlung zu Ery-
3 Bertsche T, Haas M, Oberwittler H et al. Arzneimittel in Schwanger-
thromycin durch seine schlechte Plazentagängigkeit problema-
schaft und Stillzeit. Dtsch Med Wochenschr 2006; 131: 1016–1022
tisch und bei Clarithromycin trotz deutlich besserer plazentarer
4 Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Congenital syphilis
Passage die mangelnden Erfahrungen in der Schwangerschaft
– United States, 2002. MMWR Morb Mortal Wkly Rep 2004; 53((31)): 716–9
vor dem Hintergrund tierexperimentell aufgetretener Frucht-
5 Cheng JQ, Zhou H, Hong FC, Zhang D, Zhang YJ, Pan P, Cai YM. Syphilis
screening and intervention in 500,000 pregnant women in Shenz-hen, the People’s Republic of China. Sex Transm Infect 2007; 83 (5):347–50
6 Diav-Citrin O, Gotteiner T, Shechtman S et al. Pregnancy outcome fol-
lowing gestational exposure to metronidazole: a prospective cont-
Beta-Lactame stellen unbedenkliche Antiinfektiva in der
rolled cohort study. Teratology 2000; 61: 440–
7 Flenady V, King J. Antibiotics for prelabour rupture of membranes at
Schwangerschaft dar. Penicilline sind in der Schwangerschaft
or near term. Cochrane Database Syst Rev 2002; (3) CD001807 DOI:
Antibiotika der ersten Wahl. Cephalosporine der ersten Genera-
tion sind ebenfalls in allen Schwangerschaftsphasen unbedenk-
8 Friese K. Antibiotikatherapie in der Schwangerschaft.In: Friese K, Ka-
lich. Unter den Makroliden ist Erythromycin für den Embryo
chel W (Hrsg) (Hrsg). Infektionserkrankungen der Schwangeren und
bzw. den Fetus unbedenklich, allerdings ist die Anwendung
des Neugeborenen, 2. Auflage. Berlin, Heidelberg, New York: Sprin-
durch die geringe Plazentapassage, die Resistenzlage und die
potentielle Hepatotoxizität des Erythromycinestolats einge-
9 Friese K, Mörike K, Neumann G, Windorfer A. Arzneimittel in der
Schwangerschaft und Stillzeit, 6. Auflage. Wissenschaftliche Verlags-
schränkt. Das Clindamycin aus der Gruppe der Lincosamide und
Sulfonamide sind Reservemittel. Metronidazol und Chloram-
10 Garratty G, Leger RM, Arndt PA. Severe immune hemolytic anemia as-
phenicol haben als Reservepräparate relative Kontraindikatio-
sociated with prophylactic use of cefotetan in obstetric and gyneko-
nen. Sulfonamide und Chloramphenicol sollten nicht präpartal
logic procedures. Am J Obstet Gynecol 1999; 181: 103–104
verabreicht werden. Glykopeptide und Aminoglykoside sind nur
11 Heikkila A, Erkkola R. Review of beta-lactam antibiotics in pregnancy.
bei lebensbedrohlichen maternalen Infektionen einzusetzen.
The need for adjustment of dosage schedules. Clin Pharmacokinet
Tetrazykline sind ab der 12.SSW wegen fetaler Schädigung und
12 Klasco RK (ed). Drugdex® system. Greenwood Village (CO): Thomson
Chinolone sind mangels Erfahrungen und angesichts unbedenk-
licher Alternativen in der Schwangerschaft kontraindiziert.
13 Morency AM, Bujold E. The effect of second-trimester antibiotic the-
rapy on the rate of preterm birth. J Obstet Gynaecol Can 2007; 29
Konsequenz für Klinik und Praxis
14 Naylor CS, Steele L, Hsi R, Margolin M, Goldfinger D. Cefotetan-indu-
3Bei einer Antibiotikaverordnung für Frauen im repro-
ced hemolysis associated with antibiotic prophylaxis for cesarean
duktionsfähigen Alter sollte nach einer möglichen
delivery. Am J Obstet Gynecol 2000; 182 (6): 1427–1428
15 Petersen E. Infektionen in Gynäkologie und Geburtshilfe. Stuttgart:
3Bei potentiell teratogenen Medikamenten ist auf die
16 Rote Liste® Service GmbH, Auflage 2007. Aulendorf: Editio Cantor
Notwendigkeit einer sicheren Kontrazeption hinzuweisen.
3Kein Antibiotikum sollte als absolut unbedenklich deklariert
17 Schäfer A. Immunologie der SchwangerschaftIn: Friese K, Kachel W
(Hrsg) (Hrsg). Infektionserkrankungen der Schwangeren und des
3Bei entsprechender Indikation darf – nicht zuletzt zum
Neugeborenen, 2. Auflage. Berlin, Heidelberg, New York: Springer
Schutz des Kindes – aber auch keiner Schwangeren eine
antimikrobielle Therapie vorenthalten werden.
18 Schäfer C, Spielman H. Arzneimittelverordnung in der Schwanger-
schaft und Stillzeit Berlin, Jena: Elsevier Urban &Fischer Verlag, 2001
19 Schrag SJ, Zell ER, Lynfield R, Roome A et al. Population-based compa-
Autorenerklärung: Die Autoren erklären, dass sie keine finanzi-
rison of strategies to prevent early-onset group B streptococcal di-
ellen Verbindungen mit einer Firma besitzen, deren Produkt in
sease in neonates. N Engl J Med 2002; 347: 233–239
diesem Artikel eine wichtige Rolle spielt (oder mit einer Firma,
20 Stille W. Antibiotikatherapie, Klinik und Praxis der antiinfektiösen
die ein Konkurrenzprodukt vertreibt).
Behandlung, 11. Auflage. Stuttgart, New York: Schattauer Verlag,2006
21 Witt A, Berger A, Gruber CJ, Petricevic L, Apfalter P, Worda C, HussleinP. Increased intrauterine frequency of Ureaplasma urealyticum inwomen with preterm labor and preterm premature rupture of themembranes and subsequent cesarean delivery. Am J Obstet Gynecol2005; 193 (5): 1663–9
22 Witt A, Sommer EM, Cichna M, Postlbauer K, Widhalm A, Gregor H, Rei-senberger K. Placental passage of clarithromycin surpasses other ma-crolide antibiotics. Am J Obstet Gynecol 2003; 188 (3): 816–9
Dtsch Med Wochenschr 2008; 133: 511–515 · A. Haas u. G. Maschmeyer, Antibiotikatherapie in der …
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