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Textarchiv TA-1998-2
(20-minütiges Referat, geplant in Göttingen am 28.11.1998, in wesentlichen Zügen:)*) Sterbehilfe und die Selbstbestimmung des Individuums
von Norbert Hoerster
Ich möchte in meinem Referat ausdrücklich nicht die Frage behandeln nach der richtigen oder angemessenen Weise des Sterbens. Dies ist eine Frage der Weltanschauung, die jeder nach sei-nen eigenen Präferenzen für sich entscheiden sollte. In meiner Eigenschaft als Rechtsphilosoph möchte ich hier ausschließlich die Frage erörtern, wie die staatliche Rechtsordnung mit dem Ster-ben umgehen soll, genauer gesagt: welche strafrechtlichen Verbote die Rechtsordnung im Bereich der Sterbehilfe aufstellen soll bzw. darf. Bei der Untersuchung dieser Frage gehe ich von einem allgemeinen Prinzip aus, das jeder Rechts-politik in einem Staat, der an individuellen Freiheitsrechten orientiert ist, zugrundeliegen muß. Die-ses Prinzip lautet: In dubio pro libertate - im Zweifel für die Freiheit. Das bedeutet: Derjenige, der für - und nicht derjenige, der gegen - ein bestimmtes staatliches Verbot Stellung bezieht, trägt hier-für die Beweislast, muß hierfür stichhaltige Argumente auf den Tisch legen. Dieses Prinzip sollte zum Beispiel für die sexuellen Beziehungen zwischen Geschwistern gelten; es sollte für die Urnenbestattung Verstorbener im eigenen Garten gelten; es sollte für den Ladenkauf eines Schlafanzuges um 1 Uhr nachts gelten. Es muß auch für die Sterbehilfe gelten. Wenn ich im folgenden das Wort „Sterbehilfe" verwende, so meine ich immer die bei uns strafrecht-lich verbotene sogenannte aktive Sterbehilfe, die auf einen gültigen Wunsch eines schwer und unheilbar leidenden Patienten zurückgeht und durch einen Arzt geleistet wird. Wie lauten also die möglichen Argumente für ein strafrechtliches Verbot solcher Sterbehilfe? Zu-nächst einmal: Man muß hier unbedingt zwei Arten von Argumenten auseinanderhalten, die grund-legend voneinander verschieden sind. Die erste dieser beiden Arten von Argumenten möchte ich als „fundamentalistisch" bezeichnen. Solche Argumente führen im Ergebnis dazu, daß jeder einzelne denkbare Akt einer Sterbehilfe grundsätzlich verboten sein muß. Fundamentalistische Argumente nehmen gewöhnlich Bezug auf absolut geltende Prinzipien eines Naturrechts, eines natürlichen Sittengesetzes oder einer göttli-chen Schöpfungsordnung. Sie werden vor allem vertreten von den christlichen Kirchen. Sterbehilfe, so sagen die Kirchen, verstößt gegen die „Unantastbarkeit" des menschlichen Lebens, so wie diese Unantastbarkeit im natürlichen Sittengesetz bzw. im Willen Gottes, in der göttlichen Schöpfungs-ordnung angelegt ist: Der Mensch maßt sich durch die Sterbehilfe an, selbst Gott zu spielen. Hiernach ist jede einzelne Handlung aktiver Sterbehilfe als solche - gleichgültig unter welchen Be-dingungen - verbots- und strafwürdig. So das fundamentalistische Argument für ein Verbot der Sterbehilfe. Ganz anders verhält es sich mit der zweiten Art von Argumenten für ein Verbot der Sterbehilfe, die ich - im Unterschied zu der ersten, fundamentalistischer Art - als „pragmatisch" bezeichnen möchte. Norbert Hoerster / „Sterbehilfe“ / Textarchiv: TA-1998-2
Nach solchen Argumenten ist gegen Sterbehilfe an sich, sofern bestimmte Bedingungen (wie ernsthaftes und freiwilliges Verlangen seitens des betroffenen, schwer leidenden Menschen) erfüllt sind, nichts einzuwenden. Doch jede strafrechtliche Freigabe einer solchen, an sich legitimen Ster-behilfe, so das Argument, wird in der sozialen Realität unweigerlich Konsequenzen für den allge-meinen Lebensschutz nach sich ziehen, die unter keinen Umständen hinnehmbar sind. Und aus diesem indirekten Grund muß in der Praxis eben auch eine Sterbehilfe, die als solche legitim wäre, verboten sein. Leider werden diese beiden Arten von Argumenten - das fundamentalistische und das pragmati-sche Argument - von Gegnern der Sterbehilfe häufig nicht klar voneinander unterschieden, sondern in einer Weise miteinander vermengt, die eine kritische Prüfung der Forderungen nach einem Ver-bot der Sterbehilfe nicht erleichtert. So muß man nicht selten den Eindruck gewinnen, daß pragma-tische Argumente von den Gegnern der Sterbehilfe nur vorgeschoben werden, weil sie die eigent-lich ausschlaggebenden, fundamentalistischen Argumente nicht offen beim Namen nennen möch-ten. Ich möchte den Unterschied zwischen diesen beiden Arten von Argumenten deshalb nochmal ganz deutlich machen an einem Beispiel (ebenfalls aus der Medizinethik), das in der letzten Zeit in Fern-seh-Talkshows eine gewisse Rolle spielte. Ich meine die Frage nach der Zulässigkeit des neuen Potenzpräparates Viagra. Hier lautet das fundamentalistische Anti-Argument, wie es der bekannte Theologe und Dominika-nerpater Basilius Streithofen etwas drastisch formuliert hat: Die Einnahme von Viagra ist als natur-widrig abzulehnen, weil Viagra nichts anderes ist als „Kunstdünger für die Lenden, der den Mann zum Zuchtbullen degradiert". Natürlich ist unter dieser Voraussetzung jede einzelne Verwendung von Viagra - unter welchen konkreten Bedingungen auch immer - als solche ein Verstoß gegen Naturgesetz und Manneswürde und deshalb unzulässig. Ganz anders dagegen das pragmatische Argument. Dieses lautet zum Beispiel so: Die Männer werden sich Viagras häufig auch unter unge-eigneten Bedingungen bedienen. Deshalb wird die Freigabe von Viagra in der Realität - neben ihren sittlich durchaus akzeptablen Wirkungen - auch zu einem enormen Anstieg von Vergewalti-gungen in unserem Land führen. Ich hoffe, dieses Beispiel macht den grundsätzlichen Unterschied, die ganz unterschiedliche Struk-tur zwischen einem fundamentalistischen und einem pragmatischen Argument für das Verbot eines bestimmten Tuns hinreichend deutlich. Das Beispiel zeigt aber auch noch etwas anderes. Beide genannten Argumente gegen die Zulassung von Viagra sind bislang in unserer Gesellschaft ohne nennenswerte Zustimmung geblieben. Der Hintergrund für eine derart tolerante Haltung ist auch leicht erkennbar. Die christlichen Kirchen haben in unserem Land seit Jahren jeden Versuch der Einflußnahme auf die Sexual- und Ehemoral der Bürger völlig aufgegeben. Was aber die Kirchen fundamentalistisch nicht mehr einfordern, das brauchen Jura- und Medizinprofessoren auch nicht mehr pragmatisch zu untermauern. Entsprechendes beobachten wir im übrigen ja auch auf dem Gebiet der Abtreibungsmoral, wo allerdings zur Zeit in Form von Lippenbekenntnissen noch gewis-se Nachhutgefechte geführt werden. Was den Kirchen unter diesen Umständen bleibt, um ihre Kompetenz und Unverzichtbarkeit im Kampf gegen den Werteverfall in der Gesellschaft zu bewei-sen, ist ganz offenkundig die Sterbemoral. Norbert Hoerster / „Sterbehilfe“ / Textarchiv: TA-1998-2
Ich habe auf die religiös-fundamentalistische Version einer Ablehnung der Sterbehilfe - Verstoß gegen das natürliche Sittengesetz bzw. gegen den Willen Gottes oder die göttliche Schöpfungsord-nung - schon hingewiesen. Es liegt nun auf der Hand, daß sich diese fundamentalistische Ableh-nung der Sterbehilfe auf rein rationalem Weg, d.h. ohne die Einführung spezifisch religiöser Glau-bensprämissen, nicht begründen läßt. Natürlich haben die Kirchen das Recht, für die kirchlich-christliche Sterbemoral auf jede staatlich legale Weise zu werben und sich einzusetzen. Haben sie aber auch - in einer Gesellschaft, in der sich (so jüngste Meinungsumfragen) 47% der Bürger für explizit areligiös erklären - das Recht zu fordern, daß ihre eigene fundamentalistische Position in dieser Frage zur Basis eines strafrechtlich sanktionierten Verbots gemacht wird? Dies, so meine ich, ist die entscheidende Frage innerhalb einer freiheitlichen, weltanschaulich plu-ralistischen Gesellschaft - und nicht die Frage, die der Göttinger Medizinjurist Hans-Ludwig Schrei-ber im Zusammenhang mit der Diskussion um die Strafwürdigkeit der Sterbehilfe stellt, wenn er schreibt: „Kann es wirklich Gottes Wille sein, daß man ein von ihm gegebenes Leben unter solchen Bedingungen weiter führen muß? Verlangt er das tatsächlich vom Menschen oder darf man nicht dieses Leben in Gottes Hand zurückgeben?" - Spekulationen über den vermutlichen Willen Gottes haben in einer aufgeklärten Strafrechtspolitik nichts zu suchen! Damit komme ich zu den pragmatischen Argumenten für ein strafrechtliches Verbot der Sterbehilfe. Sterbehilfe, so der Kern der pragmatischen Argumente, läßt sich, wenn sie erst einmal erlaubt ist, in der sozialen Realität nicht auf die legitimen Fälle ihrer Anwendung - ein schwer und unheilbar leidender Mensch wünscht, durch seinen Arzt endgültig von seinen Leiden erlöst zu werden - be-schränken. Jede Freigabe der Sterbehilfe wird vielmehr unvermeidlich zu einer Aushöhlung des Lebensschutzes in den Bereichen führen, in denen eine legitime Sterbehilfe überhaupt nicht in Betracht kommt, insbesondere nämlich gegenüber alten, kranken, schwachen und behinderten Menschen, die selber gar nicht sterben wollen. Jeder kennt dieses Argument in seiner stärksten Ausprägung, wie es etwa der Vatikan gegenüber den Niederlanden geltend gemacht hat: Die Zulassung der Sterbehilfe mündet unvermeidlich in eine Wiederaufnahme der nationalsozialistischen Euthanasiepraxis. Die Schlagkraft dieses Argu-ments ist natürlich überwältigend. Es ist nur allzu verständlich, daß vor dem Hintergrund eines solchen Verdachtes und angesichts des moralisch-geistigen Klimas in unserem Lande die aller-meisten unserer Intellektuellen - unserer führenden Philosophen, Juristen und Ärzte - nicht den Mut finden, das Pro und Contra der Sterbehilfe kritisch und ausgewogen zu erörtern. Ich kann hier nur kurz die wichtigsten pragmatischen Zusatzargumente anführen, mit denen prominente Sterbehilfe-gegner die Position der Kirchen unterstützen. Der Psychiatrieprofessor Klaus Dörner behauptet, eine Freigabe der Sterbehilfe führe im Ergebnis zu einer Eliminierung der „industriell Unbrauchbaren" auf dem „Weg zur Ein-Drittel-Gesellschaft". Auf der Basis dieses Argumentes verhalten sich dieses „industriell Unbrauchbaren" - die Kranken, Alten, Schwachen und Behinderten - in unserem Nachbarland Holland, in dem mit ihrer Eliminie-rung laut Dörner bereits begonnen worden ist, natürlich ganz und gar vernünftig, wenn sie inzwi-schen aus ihrer Heimat „flüchten" (so der Vizepräsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe) bzw. wenn sie (so der schon genannte Medizinjurist Hans-Ludwig Schreiber) „aus Angst Norbert Hoerster / „Sterbehilfe“ / Textarchiv: TA-1998-2
vor allzu hurtiger Aktivität den Lebensabend lieber im Ausland" verbringen. Irgendwelche nachprüf-baren Belege für einen solchen Exodus der Niederländer können allerdings weder Hoppe noch Schreiber beibringen. Schreiber glaubt sogar, bezogen auf die Situation in der Bundesrepublik Deutschland feststellen zu dürfen: „Die Behinderten haben wirklich Angst um ihr Leben". Ist eine solche Behauptung glaub-würdig? In einem Land, in dem kein einziger Politiker welcher Partei auch immer eine Zulassung der Sterbehilfe auch nur für diskutabel hält, haben „die" Behinderten - also vermutlich alle oder doch die meisten Behinderten - Angst um ihr Leben? Nun, noch einige weitere Spiegel-Interviews mit Professor Schreiber unter diesem fettgedruckten Motto: „Die Behinderten haben wirklich Angst um ihr Leben" werden - im Sinne einer „self-fulfilling prophecy" - der Hysterie schon die gewünschte Nahrung geben. Wird man aber nicht selbst dann noch die Frage stellen müssen: Ist eine solche Angst denn auch berechtigt? Und darf wegen gewisser irrationaler Ängste innerhalb der Bevölkerung die Selbstbe-stimmung schwer leidender, sterbewilliger Patienten - also die Selbstbestimmung jener Menschen, die die unmittelbar Betroffenen einer Regelung der Sterbehilfe sind - mit strafrechtlichen Mitteln aufgehoben werden? Bislang haben die Vertreter der pragmatischen Argumente oder „Dammbruchargumente" gegen eine Zulassung der Sterbehilfe es nicht vermocht, hinreichende empirische Belege für ihre Szena-rien der Ausmerzung von Schwachen, Kranken und Behinderten zu liefern. Ja, in aller Regel haben sie solches auch nicht einmal versucht. Sie erklären den Dammbruch im allgemeinen Lebensschutz als Folge einer Zulassung von Sterbehilfe schlicht für selbstverständlich. So schreibt der Philosoph Robert Spaemann etwa: „Der gleitende Übergang (gemeint ist: der gleitende Übergang von einer humanen Sterbehilfe zu einer Neuauflage der Nazi-Euthanasie) „ist deshalb unvermeidlich, weil er die Logik auf seiner Seite hat". Es ist in Wahrheit aber alles andere als logisch selbstverständlich, daß ein Arzt, der einem schwer und unheilbar leidenden Menschen auf dessen eigenen Wunsch hin zum Tode verhilft, auch Schwache und Behinderte („sozial Nutzlose" in der Terminologie der Nazis) ermorden wird und hiermit in einer funktionierenden Demokratie auch noch rechtlich durchkommt. Die niederländi-schen Erfahrungen jedenfalls belegen dies in keiner Weise. Daß die Freigabe einer humanen Sterbehilfe den Mord an Behinderten fördert, ist etwa so wahr-scheinlich wie die Behauptung, daß die Freigabe von Viagra der Vergewaltigung oder Kinder-schändung Vorschub leistet. Die Gegner der Sterbehilfe werden ihrer Beweis- bzw. Argumentationslast, der sie mit der Forde-rung nach Strafbarkeit der Sterbehilfe nach meiner Ausgangsthese unterliegen, einfach nicht ge-recht. Dies gilt im übrigen auch für jene pragmatischen Argumente - wie psychischer Druck vonseiten der Angehörigen des Schwerkranken oder Einflußnahme vonseiten des Klinikpersonals zwecks Kos-tenersparnis - auf die ich aus Zeitgründen hier nicht näher eingehen kann. Auf einen ganz generel-len Punkt möchte ich in diesem Zusammenhang jedoch zum Schluß meiner Ausführungen noch kurz hinweisen. Norbert Hoerster / „Sterbehilfe“ / Textarchiv: TA-1998-2
Sofern eine aktive Sterbehilfe tatsächlich die von ihren Gegnern behaupteten negativen, untragba-ren Folgen für den unverzichtbaren Kernbereich des menschlichen Lebensschutzes hat, unterlie-gen eine passive sowie eine indirekte Sterbehilfe prinzipiell genau denselben Folgen und Gefahren. Warum ist die Gefahr beispielsweise eines illegitimen Druckes der Angehörigen oder der Kosten-träger auf den schwerkranken Patienten, endlich „Platz zu machen", sofern überhaupt in nennens-wertem Maß vorhanden, nicht auch dann vorhanden, wenn der Verzicht auf eine lebenserhaltende Behandlung oder das Abschalten einer entsprechenden Apparatur (nach al gemeiner Meinung Akte bloß passiver Sterbehilfe) zur Debatte stehen? Außerdem: Auch die generell gebilligte indirekte Sterbehilfe ist in Wahrheit eine Form der aktiven Sterbehilfe, die sich allein durch die innere Intenti-on des Arztes (wie will man diese überhaupt zuverlässig ermitteln) von der direkten Form der akti-ven Sterbehilfe unterscheidet. Die Willkürlichkeiten und Ungereimtheiten in der offiziellen Beurteilung der passiven und der indi-rekten Sterbehilfe einerseits sowie der aktiven Sterbehilfe andererseits sind, wenn man näher hin-schaut, Legion. Viel besser als die pragmatische steht insoweit die fundamentalistische Sichtweise der Sterbehilfe da, wonach der Mensch nach Gottes Willen nie einen unschuldigen Menschen mit Absicht töten, wohl aber seinen Tod bewußt in Kauf nehmen bzw. der zerstörerischen Natur ihren Lauf lassen darf. Diese Lehre hat, wie schon gesagt, in einem freiheitlichen Staat zwar keinen Platz zur Strafbegründung, ist aber in sich schlüssig. Wer die Sterbehilfe verbieten möchte, sollte auch den Mut besitzen, sich zu dieser fundamentalistischen Sichtweise offen zu bekennen! ________________________________________________ *) Norbert Hoerster konnte das Referat nicht halten, da organisierte Störer von Behindertenverbän-den die Veranstaltung „sprengten“. _________________________________________________ Offener Brief an die Akademiemitglieder (Akademie für Ethik in der Medizin)
Wie Sie vielleicht wissen, hat die AEM geplant, eine Dokumentation jener Referate zum Thema "Sterbehilfe" herauszugeben, die auf der abgebrochenen Göttinger Veranstaltung im November 1998 gehalten werden sollten. Ich habe die Zustimmung zum Abdruck meines Referates jedoch verweigert und möchte Sie hiermit über die Gründe meiner Weigerung informieren. Schon im April 1997 veranstaltete die AEM (gemeinsam mit zwei weiteren Institutionen) eine Ta-gung in Hannover zu dem Thema "Sterbehilfe". Nachdem ich Mitte Januar als Podiumsdiskutant zu der Veranstaltung eingeladen worden war, wurde ich Mitte Februar wieder ausgeladen. Offizielle Begründung: Man habe festgestellt, "daß einige Themen doppelt besetzt sind", und wolle mir über-dies die "weite Anreise" ersparen. Wahr ist: 1. Statt meiner wurde nach meiner Ausladung ein neuer Diskutant genau zu meinem Thema eingeladen. 2. Die Fahrzeit von meinem Wohnort nach Hannover per ICE beträgt exakt 2 Stunden. 3. Wenige Tage vor der Ausladung wurde ich auf einer ähnlichen Tagung der Katholi- Norbert Hoerster / „Sterbehilfe“ / Textarchiv: TA-1998-2
schen Akademie Trier von einer Gruppe von Störern gewaltsam am Vortrag meines Referates gehindert. Auf Druck einiger über meine Ausladung empörter Mitglieder der AEM hin wurde eineinhalb Jahre später die Göttinger Veranstaltung - erneut mit mir als Referenten - angekündigt. Auch hier war der Veranstaltungsleiter durchaus - diesmal auf der Veranstaltung selbst - bereit, dem Druck der Störer nachzugeben und unter Verzicht auf mein Referat und das daran anschlie-ßende Referat von Herrn Professor Schockenhoff die Veranstaltung am Nachmittag fortzusetzen. Der Widerspruch einiger Teilnehmer verhinderte diese bequeme Lösung. lm Januar 1999 schrieb mir der Göttinger Veranstaltungsleiter und Präsident der AEM, daß er be-dauere, daß es in Göttingen zu meinem Referat "nicht kommen konnte". Er schrieb weiter: "Wir werden bei entsprechenden Veranstaltungen, die konkret für die Zukunft geplant sind, die Rede- und Diskussionsfreiheit garantieren, wenn notwendig auch unter Polizeischutz". Einige Wochen später wurde derselbe Präsident der AEM von der Polizei aufgefordert, im staats-anwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gegen den Hauptstörer der Göttinger Veranstaltung, Herrn Christian Judith (der auch schon die genannten Störaktionen in der katholischen Akademie Trier angeführt hatte), als Zeuge auszusagen. Der Präsident war hierzu jedoch, wie mir die Polizei mit-teilte und bei meinem eigenen Verhör ausdrücklich in den Akten zeigte, nicht bereit. Einige Zeit später sagte mir der Präsident in einem Telefongespräch, er habe nie eine Aufforderung der Polizei zur Zeugenaussage erhalten. Ich habe das Vertrauen in die Solidarität und Aufrichtigkeit der Führung Ihrer Akademie verloren. V.i.S.d.P.: Professor Dr. Dr. Norbert Hoerster

Source: http://fowid.de/fileadmin/textarchiv/Hoerster_Norbert/Sterbehilfe_u_Selbstbestimmung_TA1998_2.pdf

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